Masterarbeit im Studium Master of Law zum Thema:
„Die strafrechtliche Verantwortung im Rahmen des Güterkontroll- und Embargorechts in der Division Kern des Stromkonzerns Axpo“
Im Rahmen des Moduls Wirtschaftsstrafrecht bei Prof. Dr. Marcel Alexander Niggli
Link zur Masterarbeit:
Masterarbeit M08 Wirtschaftsstrafrecht Rolf Jäggi final 17.07.2022
Management Summary
Die Geschäftsführung der beiden Kernkraftwerke Beznau 1 und 2 (KKB 1 und 2) sowie dem Zwischenlager für radioaktive Abfälle Beznau (ZWIBEZ) obliegt der Leitung der Division Kern innerhalb des Stromkonzerns Axpo Power AG. Der Stromkonzern Axpo Power AG ist der Bewilligungsinhaber der Betriebsbewilligungen vom KKB 1 und 2 und dem ZWIBEZ i.S.v. Art. 19 ff. KEG.
Die Division Kern sowie das Kernkraftwerk Beznau haben je einen Güterkontrollverantwortlichen und einen Güterkontrollbeauftragten. Die Funktionen bzw. die Rollenbeschreibungen sind im Kraftwerksreglement (RG-K-01) festgehalten.
Die Konzern- bzw. die Divisionsleitung muss sicherstellen, dass die rechtlichen Anforderungen des Güterkontroll- und Embargorechts eingehalten werden. Dazu muss die verantwortliche Geschäftsleitung die richtigen und zweckmässigen organisatorischen Massnahmen treffen. Strafgrund der Unternehmenshaftung (Art. 102 Abs. 1 StGB) ist nicht die gescheiterte Deliktverhinderung durch das Unternehmen, sondern der Umstand, dass funktional-differenzierte Organisationsstrukturen die Täterermittlung erschweren und dass Unternehmen subsidiär für Delikte haften sollen, bei denen diese Organisationsstruktur das Scheitern der Zurechenbarkeit zu einer natürlichen Person kausal begründet.[1] Dieser Zusammenhang besteht nur dann, wenn das Delikt bei hypothetischer einwandfreier Organisationsstruktur einem Individualtäter hätte zugewiesen werde können.[2] Daraus ergibt sich für das Unternehmen die Verpflichtung, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die es ermöglichen, potenziell Tatverdächtige (natürlich Personen) zu identifizieren.[3]
Die Frage der strafrechtlichen Verantwortung im Rahmen des Güterkontroll- und Embargorechts in der Division Kern des Stromkonzerns Axpo orientiert sich an der Prüfung der Individualhaftung, der Geschäftsherrenhaftung (Art. 6 Abs. 2 VStrR)[4] und der Unternehmenshaftung (Art. 102 Abs. 1 StGB). Wobei die Struktur von Art. 102 StGB eine Anlasstat mit einem Organisationsdefizit verknüpft. Die Geschäftsherrenhaftung bezieht sich auf eine Verletzung der Rechtspflicht gegenüber der Untergebenen, Beauftragten oder eines Vertreters.
Bei Prüfung betreffend Anwendung der Unternehmenshaftung (Art. 102 StGB) ist die Frage der Unternehmensorganisation bzw. eines möglichen Organisationsmangels zentral. Die das Unternehmen treffenden Sorgfaltspflichten und sich daraus ableitenden organisatorischen Massnahmen zur Deliktsverhinderung sind abhängig vom Delikt, welches es zu verhindern gibt. Gemeinsam sind allen organisatorischen Minimalanforderungen, namentlich Risikoanalyse, Ausbildung, interne Kontrolle und interne Richtlinien.[5]
Anlasstat: Der Nachweis, dass eine strafbare Handlung bzw. eine Anlasstat begangen wurde, bedeutet, dass die objektiven und subjektiven (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen.[6] Darüber hinaus dürfen keine Rechtfertigungsgründe vorliegen.[7]
Geschäftsherrenhaftung: Nach Art. 6 Abs. 2 VStrR untersteht der Geschäftsherr, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung des Untergebenen, Beauftragten oder Vertreters abzuwenden oder in ihrer Wirkung aufzuheben den Strafbestimmungen, die für den entsprechenden handelnden Täter gelten.[8] Kann eine Anlasstat keiner natürlichen Person zugeordnet werden, dürfte auch die Geschäftsherrenhaftung nicht greifen.[9]
Unternehmenshaftung: Art. 102 Abs. 1 StGB ist eine subsidiäre Strafbarkeit des Unternehmens, wenn dessen mangelhafte Organisation die Zurechnung einer Straftat zu einer natürlichen Person verhindert.[10] Dieser Zusammenhang besteht nur dann, wenn das Delikt bei hypothetischer einwandfreier Organisationsstruktur einem Individualtäter hätte zugewiesen werden können.[11] Daraus ergibt sich für das Unternehmen die Verpflichtung, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die es ermöglichen, potenziell Tatverdächtige (natürliche Personen) zu identifizieren.[12] Die subsidiäre Unternehmenshaftung beschränkt sich auf die Strafbarkeit von Vergehen und Verbrechen (Art. 10 Abs. 2 und 3 StGB), Übertretungen sind ausgeschlossen.[13]
[1] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 77.
[2] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 77.
[3] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 77.
[4] Vgl. Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, S. 2288, N 123 f.
[5] Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, S. 2306, N 269.
[6] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 57.
[7] Wohlers, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, S. 345, N 7.
[8] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 13; Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, S. 2288, N 123; Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 1.
[9] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 1.
[10] Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, S. 2273, N 52.
[11] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 77.
[12] Niggli/Maeder, Unternehmensstrafrecht, in: Ackermann (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, 2. Auflage, Bern 2021, § 8, N 77.
[13] Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, S. 2274, N 55; Wohlers, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, S. 345, N 6.